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Artikel vom: 27. August 1990


Box ad Kapitulation Hüningen

Eine Anekdote



Bild




jpl. Am 27. August 1990 jährte sich die Kapitulation Hüningens zum 175. Mal. Und gleichentags erschien obiger Artikel mit den vielen Details rund um Hüningen und seiner Festung in der örtlichen Tageszeitung.

Wie kommen Journalisten zu solchen «Jubiläen»? Gehen sie Abends mit dem Brockhaus unter dem Kopfkissen ins Bett? Oder erscheinen rechtzeitig vor dem «Jubiläum» die Helden von einst als Geister und flüstern dem alpträumenden Journalisten ihre Geschichte ins schlummernde Bewusstsein?

Für reiche Redaktionen gibt es besondere Verlage, die im Abonnement Jahresdaten, Jubiläen, Geburts- und Todestage von besonderen Köpfen usw. liefern.

Im Fall des «runden» Gedenktages der Kapitulation von Hüningen war dies aber ganz anders:

Es war etwa im Jahr 1988, als ich beim Trödler Beat Thommen in der Santihanns - ausgerechnet in der Santihanns! 1)  - im Schaufenster die gerahmte Heliographie eines Bildes des französischen Schlachtenmalers Edouard Détaille entdeckte: «Auszug aus der Festung Huningue». Das Bild beeindruckte mich, wie der Sieger den Besiegten in ritterlicher Geste per Handschlag nach der Aufgabe der Festung begrüsste.

Der Trödler wollte 50 Franken für das Bild - doch leider hatte ich nur gerade 30 auf mir. Er versprach, es bis zum nächsten Tag für mich zu reservieren.

Es vergingen mehrere Monate, bis ich wieder mal zufällig bei der Trödelei vorbeikam und ich mich schlagartig an das Versprechen erinnerte. Doch das Bild war nicht mehr im Schaufenster. Etwas klamm, aber diesmal mit genug Geld im Sack, erkundigte ich mich im Laden nach dem Verbleib. O welch Glück, das Bild war noch da - diesmal aber ohne Rahmen. Den habe er verkauft; der neue Besitzer wollte aber das Bild nicht.

Ok, antwortete ich, ein Bild ohne Rahmen kostet demzufolge auch nur die Hälfte als ein Bild mit Rahmen. Doch da hatte ich nicht mit der Gewitztheit des schlauen Trödlers gerechnet: Wenn sich jemand für dieses Bild wirklich interessiere, dann zahle der 50 Hämmer mit oder ohne Rahmen, weil ihn das wert ist!

Ok, er bekam die 50 «Hämmer», ich das Bild und gab nochmals 200 «Hämmer» aus für die Neurahmung hinter Glas.

Zum Glück hatte ich einen prominenten Ecken in meiner Wohnung noch frei, wo ich das Bild aufhängen konnte. Erst als es tadellos im Lot hing und ich es stolz betrachtete, las ich die ganze Bildunterschrift: «Sortie de la Garnison de Huningue» und in kleiner Schrift darunter: «27 août 1815». Ich begann zu rechnen und plötzlich machte es in meinem Kopf «Bingo»: In zehn Tagen jährte sich dieses geschichtliche Datum zum 175. Mal.

Ich stieg nix wie los aufs Velo direkt nach Hüningen, stöberte da, fotografierte dort, sprach mit Lucien Kiechel und anderen Zeitzeugen, telefonierte mit dem und mit jenem und setzte mich schliesslich kurz vor Redaktionsschluss auf meiner Sonnenterrasse mit einem Riesenglas Eistee und in Badhosen vor die Schreibmaschine: Hüningens Geschichte glitt vor meinem geistigen Auge vorüber und hämmerte sich in die Tasten meiner guten alten Hermes. Abatucchi sah ich in das Bajonett des von ihm erdolchten Gegners sinken, und endlich wusste ich, mit wem ich es mit dem noblen Sieger von Hüningen zu tun hatte: Mit dem Erzherzog Johann von Oesterreich, ein tüchtiger Offizier zwar, aber später im Leben ein gebildeter Menschenfreund und Stifter der Montanbibliothek von Leoben, die ich dann kurz darauf auf meiner Reise nach Graz besichtigte und ganz nebenbei auch im Hotel «Erzherzog Johann» nächtigte.

Die Reise nach Graz ins «Erzherzog Johann» hatte ich mir nicht zuletzt durch ihn verdient. Als ich danach mal wieder bei meinem Trödler vorbeischaute, ihm ganz stolz erklärte, wieviele Franken einsfünfzig ich mit «seinem» Bild «verdient» hatte, dies, obwohl es gleichviel mit oder ohne Rahmen kostete, warf er den Hammer, den er gerade in der Hand hielt, als ich eintrat, in hohem Bogen in eine Ecke seines Ladens, wo er wohl für mehr als fünfzig Franken Schaden anrichtete. Noch bevor er Schaum vor den Lippen bekam, konnte ich ihn sofort beruhigen, dass sich das Bild immer noch in meinem Besitz befindet und es wohl dort auch bis zu meinem Ableben bleiben wird. Er glaubte zunächst, dass ich eine Rarität, die er falsch einschätzte, nun für einen «astronomischen» Betrag wiederverkauft hatte. Doch der «astronomische» Betrag war lediglich der eher karge Lohn für eine aufwendige Recherche und stundelanges Werkeln am Schreibtisch. Notabene nicht auf der Sonnenterrasse und ohne Eistee! Zwar habe ichs eingangs so beschrieben - aber lediglich um des Reimes Willen…

Jürg-Peter Lienhard 


1)  Auf das westliche Richtung Hüningen gelegene Basler Quartier St. Johann - in Mundart Santihanns genannt - liess Kommandant Barbanègre ein einziges Mal Granaten von der Festung Hüningen abfeuern. Sie töteten einen Jungen, der vor dem St.-Johanns-Stadttor spielte. Diesen Anlass nahmen die Eidgenossen zum Vorwand für den Angriff auf die Freigrafschaft Burgund.


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