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26.07.2001 - Wirtschaft Elsass

Interview mit André Klein

«Elsässische und japanische Mentalität sind sich ähnlich»

André Klein, Generaldirektor der «Agence de Déveleoppement d'Alsace» (ADA) in Colmar (siehe unten) wurde von Jürg-Peter Lienhard nach dem «Geheimnis» der erfolgreichen Ansiedlung japanischer Unternehmen im Elsass befragt.

 

Jürg-Peter Lienhard: In welcher Sprache wollen wir uns unterhalten: Französisch, Deutsch, Elsässisch oder gar Japanisch? Als Mentor der elsässisch-japanischen Beziehungen - wie unterhalten Sie sich mit den Japanern?

 

André Klein: Ich spreche alle vorgeschlagenen Sprachen fliessend - ausser Japanisch. Es ist aber erstaunlich, wie viele Japaner sehr gut bis fliessend Französisch sprechen. Das ist vielleicht sogar ein Verdienst von Professor Origas - einem Elsässer - der in Paris an der Sorbonne das Institut für Orientalische Sprachen aufgebaut hat.

 

André Klein. Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2003

 

JPL: 18 teils namhafte japanische Industrieansiedlungen im Elsass haben in nur 15 Jahren über 5000 Arbeitsplätze geschaffen. Worin liegt das Geheimnis dieser Erfolgsstory?

 

AK: Ich meine, die elsässische und die japanische Mentalität sind sich sehr ähnlich: Der Elsässer ist «schaffrig», zuverlässig, Stolz auf seine Arbeit und identifiziert sich mit ihr - genauso wie der Japaner.

 

JPL: Wie hat denn alles angefangen - Japan liegt doch immerhin auf der anderen Seite der Erdkugel?

 

AK: Es begann mit einer Ferienreise, die ich als ganz gewöhnlicher Tourist im Jahr 1980 nach Japan unternahm. Damals kannte man Japan und dessen Innovationskraft bei uns viel zu wenig. Ich erkannte sehr schnell das Industriepotential dieses Landes und entwickelte eine Affinität für dessen Kultur.

1980 war auch das Jahr, das in der Folge der Petrolkrise von 1976 zum Zusammenbruch der elsässischen Textilindustrie führte. Deutsche und schweizerische Investoren zogen ihre Investitionen im Elsass zurück.

Aufgrund meiner Japanreise erhielt ich dann von meinen neugewonnenen asiatischen Bekannten den Hinweis, dass die erste private japanische Fernsehanstalt Fuji TV eine Fernsehserie über ein europäisches Land zu drehen suchte. Es war die Gunst der Stunde. Und natürlich waren es auch unsere reichen Kulturgüter, die die japanischen Filmemacher für unser Elsass begeistern liessen.

Die 13teilige Serie war im Stil einer «Soap-Opera» aufgezogen worden, die das Elsass in ganz Japan mit einem Schlag bekannt machte. Es ging nicht lange, bis wir Reisegruppen aus Japan empfangen durften. Wir zeigten ihnen die Schönheiten von Strassburg, Colmar und auch immer wieder das Freilichtmuseum «Ecomusée d'Alsace», das wie kaum eine andere kulturelle Institution im Elsass unsere Zivilisationskultur konzentriert wiederzugeben imstande ist.

Es waren zunächst also rein menschliche, respektvoll anerkennende Begegnungen und die Reichhaltigkeit unserer kulturellen Stätte, die den Anfang machten. Das Geschäftliche kam erst später. Die Japaner sagen, man versteht sich mit dem Bauch...

 

JPL: ...Kultur als Bahnbrecher - und man meint immer, sie werfe nichts ab...

 

AK: ...Ja, diese Meinung ist häufig ein Irrtum: Vor der ersten Ansiedlung japanischer Unternehmen, haben wir 1985 mithilfe des «Ecomusée d'Alsace» zwei abbruchgeweihte elsässische Fachwerkhäuser aus Blotzheim nach Japan gebracht und sie dort im Völkerkundemuseum «Little World» von d'Inuyama wieder aufgebaut.

 

JPL: Heute kann man sagen, das war eine kluge Investition. Doch haben Sie den Japanern wohl auch materielle Anreize geben müssen?

 

AK: Wir haben den Japanern keine Geschenke in Form von Steuernachlässen oder der Umgehung von Umweltauflagen gemacht: Die Japaner spürten, dass sie nicht nur der Investitionen wegen, sondern zunächst als gleichgeachtete Menschen willkommen sind. Das half beim öffnen der vielen «Türen».

Aber wir gingen auch auf sie zu, was sie ebenso zu schätzen wissen: Auf Initiative des damaligen Präsidenten des oberelsässischen Generalrates, Sénateur Henry Goetschy, eröffneten wir schon 1982 ein Büro in Tokyo, das wir mit einem japanischen Ehepaar und liebgewordenen Elsass-Freunden besetzten. Die Informationen, die sie uns aus Japan zukommen liessen, waren für uns von unschätzbarem Wert. Sie haben die Wirtschaftsszene aufmerksam studiert, gewissermassen «das Gras wachsen hören» und uns Kontakte noch lange vor den Entscheidungsfindungen vermittelt.

Japanische Investoren schauen auf Sicherheit, Sozialklima und Firmentreue, was wir ihnen tatsächlich auch bieten können. Diese Vorteile müssen wir mittlerweile nicht mehr beweisen und können sie an Messen und wirtschaftlichen Veranstaltungen in Japan mit
Selbstverständnis hervorheben.

 

JPL: Gleichwohl müssen es aber auch materielle Vorteile für die Standortwahl der Japaner geben?

 

AK: Zunächst: Die Ansiedlung der japanischen Industrie geschieht im «Schneeball-Effekt». Die Japaner gehen am liebsten dorthin, wo es schon welche hat...

Doch will ich nicht verschweigen, dass bei uns die Kosten, insbesondere für Löhne, für Bauten und für Terrains tiefer sind. Zum Teil gar leicht tiefer als in Deutschland.

Dann darf das Elsass auf eine grosse Industrietradition zurückblicken (siehe BaZ vom 4. Juli, Red.), was auch das damit einhergehende wirtschaftsfreundlichen Klima erklärt.

Aber, das will ich deutlich unterstreichen: Die französischen Gesetze verbieten uns spezielle Konditionen, und auch Europa wacht. Insbesondere sind in Frankreich die Steuergesetze sehr streng und lassen keinen Spielraum.

Hingegen kennt man in Frankreich die «Prime d'aménagement du territoire» (PAT), womit Problemregionen wie etwa gewisse Vogesentäler oder eben bei uns das Kalibecken von Zuschüssen profitieren können. Dies sind variable Summen, die zwischen 25'000 und maximal 50'000 Francs pro Arbeitsplatz ausmachen können.

 

JPL: Und wie steht es mit Umweltschutz?

 

AK: Auch hier können bei den bestehenden französischen Gesetzen keine Abstriche gemacht werden. Wir haben jeweils Umweltverträglichkeitsprüfungen erhoben. Abgesehen davon, dass Unternehmen der Elektronik- oder der Hightech-Mechanik kaum oder wenig Emissionen verursachen.

Die Probleme bei uns stellen sich indes anders als in dicht besiedelten Agglomerationen, wo der Boden knapp oder das Verkehrsaufkommen dicht ist. Allerdings gibt es viele andere Parameter, die für die Beteiligten stimmen müssen.

 

JPL: Dazu gehört wohl auch die Personalfrage. Werden gut ausgebildete Fachkräfte nicht von der Industrieregion Basel abgesogen?

 

AK: Die Basler meinen gerne, das Elsass besteht aus ein paar Grenzgemeinden und vielleicht noch aus dem Sundgau. Der «Basler Sog» besteht wohl an der Grenze. Die japanischen Niederlassungen erstrecken sich über beide elsässischen Departemente, und nur wenig weg von Basel finden sich wieder gute Fachkräfte.

Ganz im Gegensatz zu der in Basel manchmal geäusserten Meinung, haben wir gute technische Ausbildungsstätten und Universitäten, die hochqualifiziertes Personal auszubilden vermögen. Das haben die Japaner begriffen!

 

JPL: Die jüngste Ansiedlung eines japanischen Produktionsbetriebes (THK in Ensisheim - siehe BaZ vom 11. Juli, Red.) erstaunte durch das atemraubende Tempo mit dem das Riesenwerk von der Planung bis zur Eröffnung realisiert worden war. In der Schweiz hätte so ein Projekt kaum in der kurzen Zeit von eineinhalb Jahren verwirklicht werden können?

 

AK: Natürlich ist die Schweiz politisch anders organisiert. Doch täuschen Sie sich nicht: auch in Frankreich gibt es hohe administrative Hürden. Die «Agence de Développement d'Alsace» (ADA), der ich als Generaldirektor vorstehe (siehe Kasten «ADA kurz vorgestellt»), nimmt die Fäden bei einem konkreten Projekt gewissermassen als Generalunternehmer in die Hand. Wir können darauf zählen, dass alle betroffenen Stellen aus Überzeugung mitwirken - und dann wird Dampf aufgesetzt!

 

JPL: Wie wirkt sich die Präsenz der Japaner weiter auf den Arbeitsmarkt aus?

 

AK: Mit über 5'000 neugeschaffenen Arbeitsplätzen in den vergangenen 15 Jahren hat sie sich auch auf die Arbeitslosenzahl ausgewirkt. Wir verzeichnen in beiden Departementen um die fünf Prozent «Chômeurs» - im Gegensatz zum übrigen Frankreich, das eine Quote von über neun Prozent aufweist. Ja selbst Deutschland zählt acht Prozent Arbeitslose.

 

JPL: Wie wirkte sich die «Asienkrise» auf die japanischen Firmen im Elsass aus?

 

AK: Die sogenannte «Asienkrise» hat sich nunmehr nach drei Jahren abzuschwächen begonnen. Sie ist aber zuerst eine Kapitalkrise und weniger eine Krise der Manufaktur-Industrie, wie sie sich im Elsass niedergelassen hat. Die ist gesund!

 

JPL: Wie sieht die Zukunft aus?

 

AK: Wir haben unsere Fühler auch nach China ausgestreckt und glauben, dort gute Karten in unseren Händen zu haben.

 

JPL: Herr Klein, ich danke für das Gespräch.

 

Zur Person von André Klein:

Geboren 17.3.1938 in Thionville. Verheiratet, 2 Kinder.

Schulen in Colmar.

Studium politischer Wissenschaften und der Rechte in Strassburg.

Ehemals Sous-préfet in Carcassone und Gex.

Ehemals Administrator am Cern, Genf.

Bekleidete bis 1995 verschiedene Ämter im Oberelsass und ist seither Generaldirektor der Agence de Développement de l'Alsace (ADA).

Seit 1983 Präsident der Regio du Haut-Rhin und des trinationalen Regionalrates Oberrhein.

Fast alle japanischen Investitions-Acquisitionen gehen auf sein Konto.

Leidenschaftlicher Liebhaber des Elsass; Herausgeber der «Topographie du Vieux Colmar» und Förderer des «Ecomusée d'Alsace».

 

ADA kurz vorgestellt:

Agence de Développement d'Alsace (ADA) - Wirtschaftsförderung im Elsass

24, rue de Verdun

F-68000 Colmar Cédex

Tél.: 0033389208268

www.ada-alsace.com

 

ADA will:
Investitionsvorhaben in effizienter Weise fördern durch die Ansiedlung von Produktions- und Dienstleistungsunternehmen sowie der Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.

 

ADA bietet:
" Generelle Informationen zum Elsass und seinen Standortvorteilen

" Präsentation von geeigneten Industrieflächen und bestehenden Gebäuden

" Organisation und Begleitung von Zusammenkünften mit Experten und institutionellen Ansprechpartnern in der Region

" Spezifische Informationen zu finanziellen und technischen Aspekten eines Vorhabens, um die im Elsass entstehenden Betriebskosten einschätzen zu können.

" Vorbereitung und Begleitung aller formellen Verfahren und Anträge, die mit der Investition einhergehen

" Betreuung der Mitarbeiter und ihrer Familien, um deren bestmögliche Integration in ihrem neuen Umfeld zu gewährleisten.

Die Branchen übergreifende Herkunft der ADA-Experten und deren Mehrsprachigkeit erleichtern die Realisierung der Investitions-Projekte. ADA unterhält Büros in mehreren Ländern der Welt; u.a in China, Polen, Russland und der Ukraine.

 

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Kommentar von J.-P. Lienhard

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