Artikel vom 12. November
2003
Zolli-Apéro
Glück im (Unterwasser-)Stall
Erst einen Monat alt, und schon ein Pummelchen
Kletterkünstler im Vivarium - Asita
VI. (die Sechste)
Von Jürg-Peter Lienhard
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Asita VI. (oben rechts) versteckt
sich die ganze Zeit hinter den Ohren von Mutter Helvetia, derweil Vater
Wilhelm der Grosse ein waches Auge auf lärmige Besucher hat.
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Foto: J.-P. Lienhard, Basel ©
2003 |
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BASEL.- Wenn die Mutter Helvetia und der
Vater Wilhelm der Grosse heisst, was gibt es dann? Ein Pummelchen! Wir
sprechen hier nicht von Basler Schulkindern, die ja laut Schularzt zu dick
sind. Nein, das Dickerchen ist nicht zu dick, gleichwohl kugelrund, 47
Kilo schwer, ein glückliches Sonntagskind und erst einen Monat alt:
Asita, das sechste Junge von Mutter Nilpferd Helvetia.
Am Sonntag, 12. Oktober 2003, alarmierte der Tierwärter
im Afrikahaus den Zollidirektor Olivier Pagan: Die Helvetia sei unruhig,
und offenbar stehe die Geburt des Jungen bevor. Um 15 Uhr erblickte schliesslich
das Mädchen Asita das Kunstlicht des Flusspferdstalles - unter Wasser
zunächst, denn die Geburt erfolgte im warmen Wasser des Innenbeckens.
Vater Wilhelm am Wochenbett dabei
Als verantwortungsvoller Vater zog sich Wilhelm der Grosse aber nicht
zurück, als die Geburt begann, sondern blieb bei seiner Frau. Für
die Zolli-Fachleute war das fast eine kleine Sensation, denn trächtige
Flusspferdkühe verjagen vor der Niederkunft sonst den Erzeuger. Und
noch jetzt, vier Wochen nach der Geburt von Asita liegen alle drei gemächlich
im schlammigen Warmwasser des Afrikahauses - ohne dass sich bisher die
Mutter gegen allzu neugierige Annäherungen des «Grossen»
zu wehren brauchte.
Wilhelm reisst jedoch stets sein Riesenmaul unter kräftigem Gebrüll
auf, wenn des Lesens unkundige Besucher lärmend an die Abschrankung
der nilpferdeigenen Badewanne stürmen. Am Eingang steht nämlich:
«Bitte leise, das junge Flusspferd braucht noch viel Ruhe!» Deswegen
versteckt sich die Kleine - sehr zum Missvergnügen der Fotografen -
hinter dem rechten Ohr von Frau Mamma. Trotz seines rundlichen Äussern
wirkt Asita die Sechste sehr buschimässig, zart und schüchtern.
Und weil es erst noch nicht einmal so gross ist wie der Kopf der Helvetia,
entfährt nicht selten auch einem Erwachsenen - je nach Herkunft - der
eine Ausruf «härzig» oder der andere «niedlich».
2003, das Jahr des «A»
Wie kommt Asita VI. zu ihrem Namen? Der Zolli «zählt»
nicht die Jahre, sondern versieht sie mit Buchstaben. So kann der Besucher
aufgrund des Anfangsbuchstabens eines Tiernamens leicht erraten, wann das
Tier auf die Welt kam. Das Jahr 2002 war das Jahr des «Z», dem
letzten Buchstaben des Alphabetes. Folglich fängt der Zolli-Jahresreigen
im Jahr 2003 wieder mit einem «A» an. Voilà: das Nilpferdbuschi
musste 2003 also mit einem Namen getauft werden, der mit «A»
beginnt. Und weil es das sechste von Mutter Helvetia ist, bekam es den Namen
Asita, was auf Kisuaheli «Sechs» bedeutet. Kisuaheli ist natürlich
nicht die Sprache der Nilrösser, sondern jene der Bewohner Zentralafrikas.
Helvetia und Wilhelm der Grosse kamen aber aus anderen Zoos
nach Basel. Darum lassen ihre Namen keine Rückschlüsse aufs Alter
zu. Das hingegen erlauben die schwarzen Täfelchen über den Stallungen
des Afrikhauses, was ich aber vor lauter Bewunderung der selig schnaubenden
Flusspferde-Familie vergessen hatte aufzuschreiben.
Aus dem Stand von 0 auf 100…
Im Badezimmer der Flusspferde ist es angenehm warm, weshalb man momentan
gerne etwas bei der schwergewichtigen Familie verweilen mag. Das gibt mir
Gelegenheit mit ein paar Zahlen deren Haushalt zu beschreiben: Wenn Klein-Asita
mal ausgewachsen ist, wird sie wie Mutter Helvetia so um die drei Tonnen
wiegen. Da denkt man, dass es bei diesem Lebendgewicht eher gemütlich
zugeht, zumal die Kolosse sich im Wasser so behäbig suhlen. Doch weit
gefehlt: Flusspferde sind auf dem Land sehr schnell, vor allem können
sie gewissermassen aus dem Stand von 0 auf 100 lostraben - obs dann einem
frechen Touristen in Afrika noch längt, wollt‘ ich nicht erlebt haben!
Das Buschi wiegt bei der Geburt ungefähr 45 Kilo - so genau weiss
man es nicht mal im Zolli - denn der versucht es auch nicht, das Junge von
Helvetia auf die Waage zu legen: siehe oben! Dieser Mocken von Kleinkind
ist aber nur etwa 2,5 bis 3 Prozent des Lebendgewichtes des Muttertieres
schwer. Leider kann man das Stillen des Buschis nicht beobachten, denn das
geschieht unter Wasser - aus Sicherheitsgründen. Dazu muss das Jungtier
für zirka 20 bis 40 Sekunden abtauchen, und dies während rund vier
Minuten. Mit knapp einem Jahr endet die Stillzeit. Feste Nahrung nimmt das
Junge aber schon im Alter von wenigen Wochen auf: Tang, Gras und Heu.
Warane im Vivarium
Die Flusspferde unterhalten in Freiheit grosse Mutter-Kind-Gruppen.
Um diese Gruppen herum wacht der stärkste Bulle. Hier im Zolli muss
Wilhelm der Grosse keine Nebenbuhler verscheuchen. Vielleicht sind laute
Besucher im Kinderzimmer noch lästiger für ihn?
Dann wäre noch zu berichten aus dem Vivarium, dem auch ein Besuch
der Pressevertreter am Zolli-Apéro galt. Leider hat mich die Verkehrspolizei
auf dem Weg zum Zolli überfallen, so dass ich um Einiges erleichtert,
aber deswegen zu spät an den Apéro kam und somit nicht «Live»
über die Kletterkünstler im Vivarium, die Bindenwarane berichten
kann. Hier also ein kleiner Auszug aus des Kurators Jermann im Telegrammstil
verfassten Erläuterungen:
Warane sind sogenannte Schuppenkriechtiere, was zwar vor allem für
die unerschöpfliche Phantasie der Zoologen spricht, aber in Wirklichkeit
auf eine weitläufige Verwandtschaft mit den Schlangen schliessen lässt
- was hinwiederum syntaktisch politisch nicht ganz korrekt ist. Auf jeden
Fall können die braun-gelb gestreiften, echsenförmigen Klettertiere
bis zu zwei Meter lang werden. Und sie haben noch eine Eigenschaft, die
in der Medieninfo so beschrieben wird: «Beim Züngeln spielt das
Jacobson‘sche Organ eine wesentliche Rolle: Duftstoff-Analyse.» Wie
das nun genau geht - wozu es dient ist unter uns gesagt klar -, müssen
Sie nun selber im Zolli im Vivarium herausfinden, oder der Verkehrspolizei
mit meiner freundlichen Genehmigung einen bitterbösen Brief schreiben.
Sorry!
Jürg-Peter Lienhard
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