Zolli-Apéro
Bald kommen auch die Löwen
Ein ganz junges Somali-Eselein
Kühle Schönheiten und eine kalte
Kinderstube im Aquarienhaus: Erstes Kaltwasseraquarium des Nordpazifiks
der Schweiz und zwei junge Königspinguine geschlüpft
Von Jürg-Peter Lienhard
Basel. Die bedrohteste Tierart der Welt,
die Somali-Wildesel, gibt es bald nur noch in den Zoos zu sehen. Darum herrscht
im Basler Zolli eine Riesenfreude, dass vor rund zehn Tagen ein Somali-Eselein
geboren wurde. Der kleine Hengst mit Namen Abai ist nun einer von rund 125
Wildeseln, die in nur fünf Zoos der Welt gehalten werden - oder besser
gesagt: überleben können. Freude herrscht auch im Aquarium, wo
kühle Schönheiten als Geschenk eines in Kanada lebenden Baslers
zu sehen sind und zwei Königspinguine geschlüpft sind.
Seeanemonen (vorne und hinten) springen einem
im Aquarium Nr. 41 ins Auge - doch sie sind nur eine von rund 60 Tierarten
in diesem Fenster. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003
Wie immer konnte der stellvertretende Zolli-Direktor Roland Brodmann am
Mittwoch, 10.9.2003, eine ganz ansehnliche Schar Journalisten zum traditionellen
Zolli-Apéro des Monats September empfangen. Und wie immer gab es «spektakuläre»
Neuheiten zu zeigen.
Im Aquarienhaus hat das Aquarium Nr. 41 ein für die Schweiz einmaliges
Thema erhalten, das allein schon seiner Farbenpracht wegen ein Besuch wert
ist. Zu sehen sind eine Auswahl von Kaltwasser-Organismen des Nordpazifiks:
rote Riesen-Seeanemonen, die Fische fressen, Krebse, die in Eintracht mit
diesen sogenannten wirbellosen, blumenartigen Tieren leben, Seesterne, Seeigel
und sogenannte Seepocken, um nur ein paar zu nennen.
Geschenk aus Vancouver
Der Aquarist Thomas Jermann erklärte der Journalistenschar, wie der
Zolli zu diesen wunderschönen Meeresbewohnern kam: Vor ein paar Jahren
hat ein junger Aquarist, mit Nanmen Philipp Brügger, ein vierzehntägiges
Praktikum beim ehemaligen Zollidirektor Peter Studer absolviert. Später
ist der junge Mann nach Vancouver in Kanada ausgewandert, wo er als erfolgreicher
Aquarienhändler zu Wohlstand gelangte. Um sich für die in Basel
bei Studer erworbenen Kenntnisse, die für seine Zukunft so wichtig
waren, zu bedanken, offerierte er dem Zolli das Geschenk eines Kaltwasser-Aquariums
des Nordpazifiks.
Doch es vergingen noch ein paar Jahre, bis der Zolli auf das Geschenk eingehen
konnte. Denn wie Jermann erklärte, konnte dafür nicht einfach
ein anderes Aquarium «geopfert» werden, sondern man musste warten,
bis ein Aquarium «frei» wurde und auch ins Konzept der wissenschaftlichen
Ausrichtung passte.
Thomas Jermann gab zu Beginn seiner Ausführungen eine erstaunliche
Information preis: Die sogenannten «wirbellosenTiere» zu denen
Seeanemonen, Schnecken usw. gehören, machen rund 95 Prozent aller Tierarten
aus, die die Welt bevölkern. Im neuen Aquarium sind aber «nur»
60 bis 70 dieser Tiere angesiedelt - was aber trotzdem eine erstaunliche
Anzahl ist und zu längerem Verweilen vor der Scheibe geradezu zwingt.
Seeanemonen werden sehr alt
Augenfälligste dieser Tiere sind die Seeanemonen, die knallrot sind
und mit ihren vielen klebrigen Ärmchen eben wie eine Anemone aussehen.
Klebrig sind die Ärmchen, weil sie damit ihr Futter - Plankton und
kleine Fische - fangen und mit unglaublicher Behendigkeit durch den in der
Mitte der «Blume» sitzenden Mund verschlucken.
Die Tiere können sehr alt werden, und was man kaum glauben kann, wenn
man sie so festgesetzt auf den felsigen Steinen sieht: sie haben nämlich
einen Fuss, auf dem sie sich ganz langsam zwar, aber immerhin doch bewegen
können. Und sie bewegen sich, die klugen Tierchen, nämlich dorthin,
wo die Strömung ihnen die besten Chancen bietet, die fettesten Planktons
vernaschen zu können...Und die fangen sie mithilfe ihrer, wie der Aquarist
sagt, mit «Nesselfunktion» ausgestatteten Ärmchen, weswegen
sie denn auch auf englisch «Fish-eating-anemons» (fischfressende
Anemonen) heissen.
Seesterne haben besondere Fressmechanismen:
einen herauskehrenden Magen zum Beispiel.
Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003
Nebst den Anemonen und anderen interessanten Tieren, wie z.B. der Röhrenwurm,
sind vor allem die Seesterne sehr augenfällig. Auch die haben eine
ganz spezielle Lebens- respektive Überlebensstrategie entwickelt: Sie
können sich, wenn sie ein Raubfisch frisst und dabei einen der fünf
Sternen-Arme «übriglässt», wieder «regenerieren».
Das heisst, aus dem abgebissenen fünften Arm kann wieder ein ganzer
Seestern werden.
Herausstülpbarer Magen
Noch interessanter ist bei den Seesternen ihre «Fressmaschinerie».
So weich diese Tiere auch sind, so erstaunlich ist es, dass sie ganze Muscheln
in der Grösse der bei Tafelfreunden bekannten «Coquilles St-Jacques»
verspeisen können. Natürlich nicht die Muschelschale, sondern das
leckere Innere. Dazu haben sie eine Fähigkeit, die wir Menschen nur
nach einer atemraubenden Achterbahnfahrt kennen: sie können ihren Magen
herauskehren. Das befähigt sie dazu, ihren Magen in die schmalste Öffnung
einer geschlossenen Muschel eindringen zu lassen. Wie Kurator Jermann erläuterte,
darf die Öffnung gar mikroskopisch schmal sein - von unter einem Millimeter.
Kalte Kinderstube
Ein paar Fensterscheiben weiter wurden die Journalisten von Friederike
von Houwald, der Kuratorin der Pinguine vor dem - ebenfalls hinter Glas
gelegenen - Pinguinen-Gehege empfangen. Auch sie strahlte, denn zu den neun
alten Königspinguine haben sich nun zwei Junge gesellst (dh. sind geschlüpft).
Die Kolonie der Königspinguine, die übrigens im gleichen Gehege
untergebracht sind wie die elf Eselspinguine, wurde durch den altershalben
Tod einiger Altvögel dezimiert. Darum sind die geschlüpften Jungvögel
ein sicheres Zeichen dafür, dass die Kolonie wieder auf ihren alten
Bestand anwachsen kann.
Für den Erhalt der Pönigspinguinen-Kolonie
ist
gesorgt: Eines der beiden geschlüpften Jung-
tiere im braunen Wollkleid.
Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003
Die Kuratorin von Houwald schilderte, wie aussergewöhnlich die Brut
von Pinguinen im Vogelreich ist, denn sie brüten unter extremen Wetterbedingungen:
«Kurz vor dem antarktischen Winter beginnen sie mit der Balz und finden
sich zwischen November und März paarweise in grossen Kolonien (mit
bis zu
30 000 Paaren) zusammen. Ein Ei wird gelegt und in einer Bruttasche zwischen
den Beinen auf den Füssen gehalten. In den folgenden 54 Tagen wechselt
sich das Paar mit der Brut ab. Während der eine Pinguin brütet,
geht der andere auf Nahrungssuche.
In den ersten 40 Tagen nach dem Schlupf wird der Jungvogel von einem Eltemteil
behütet und der andere nimmt weite Wege auf sich, um Nahrung zu besorgen.
Später stehen die jungen dann in Kindergärten zusammen und beide
Eltern gehen auf Fischfang. Zum Teil kann es Wochen dauern, bevor die nächste
Mahlzeit kommt. Im futterreichen Sommer setzen die Jungen dann aber ordentlich
Speck an und werden wesentlich schwerer als ihre Eltern. Bevor der junge
Pinguin im Alter von 10 bis 13 Monaten selbständig wird, muss er sein
braunes Daunenkleid wechseln. Die Energie, die es für die Mauser braucht,
zieht er aus seinem Speckgürtel. Erst dann kann er sich aufmachen und
die Welt des Wassers erkunden.»
Eine lang ersehnte Geburt bei den Somali-Wildeseln
Nach dem Besuch des Aquariums, wanderte die Journalistenschar zum Freigehege
der Somali-Wildesel. Mit dabei (unter den Journalisten) war Thierry Freyvogel
als Vertreter des Zolli-Freundevereins und grosser Kenner der Wildesel.
Auch hier zitiere ich Friederike von Houwald, die auch Kuratorin der Somali-Wildesel
ist:
Mutter Yogala und Kind Abai, das erst vor zehn
Tagen geboren wurde, sind eine grosse Freude für den Zolli und für
die Zollibesucher, denn die Somali-Wildesel sind ganz selten und vom Aussterben
bedroht.
Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003
«Nach einer Trächtigkeit von rund 13 Monaten gebar die 5-jährige
Somali-Stute Yogala in der Nacht vom 29. auf den 30. August den kleinen
Hengst Abai. Es ist ihre erste Geburt und für die Zucht der von der
Ausrottung bedrohten Somali-Wildesel ein weiterer Meilenstein. Diese Tierart
gehört zu den seltensten grossen Säugetieren auf dieser Welt,
ihr Wildbestand wird auf nur noch 100 bis 250 Tiere geschätzt. Daher
ist es wichtig, dass die Tiere, welche in zoologischen Gärten gehalten
werden, durch Nachzuchten dazu beitragen, einen genetisch wertvollen Bestand
aufrechtzuerhalten.
Tante Karaba, die «Kostverächterin»
Nachdem der 7-jährige Hengst Lucas im Frühling 2000 neu in den
Zolli gakommen war, erfüllte er auch sofort seine Pflichten und im
Juli letzten Jahres gebar die 10-jährige Stute Tana ihr Stutfohlen
Zariga. Die schon 16-jährige Stute Karaba ist bislang noch nicht trächtig
geworden, übernimmt aber die Tantenrolle in der Gruppe, die besonders
wichtig wird, wenn der Hengst die Stuten treibt. Dann stellt sie sich schützend
vor das Fohlen, während die anderen wild auf der Anlage herumgaloppieren.»
Die Tante Karaba, so Kuratorin von Houwald, muss offenbar ein zickiges
Fräulein sein, denn von den Annäherungen Lucas‘- im Falle der
Somali-Wildesel sind es ja eigentliche Treibjagden des Hengstes - will sie
partout nichts wissen. Überhaupt, so von Houwald, sind die beinahe
pferdegrossen Wildesel ausgesprochene «Kostverächter»,
wenn ihnen ein Geschlechtspartner nicht passt: Junge Eselchen gibts nur,
wenn sich Mama und Papa wirklich mögen und sich nicht mit den Hinterhufen
«liebkosen».
Die Löwen kommen
Ganz zum Schluss ermahnte Vizedirektor Roland Brodmann die Journalistenschar,
dem kommenden aussrordentlichen Zolli-Apéro am 25. September 2003,
nicht vorzugreifen: Das ist nämlich das Datum, an dem die einige Tage
zuvor im Zolli angekommenen Löwen im Neubau des Löwengeheges,
der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt werden. Dem Wunsch kommen wir
gerne nach, versprechen aber den Lesern des Webjournals, sie dann vom ausserordentlichen
Zolli-Apéro ausführlichst in Wort und Bild aktuell zu unterrichten.
Jürg-Peter Lienhard
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