Geheim
aus: «Sonntags-Blick» vom 17. August 2003
«Sonntags-Blick» veröffentlicht Geheimbericht
Politische Einschätzung von 27 Ländern durch den Bundesrat -
Schweiz verwehrt ihnen Waffengeschäfte
Der Sonntags-Blick hat in seiner gestrigen Ausgabe vom 17. August 2003 eine Liste
mit «Problem»-Ländern veröffentlicht. Es ist eine Liste von Ländern,
denen letztes Jahr Waffengeschäfte mit Schweizer Firmen verwehrt wurden.
Warum, das steht in einem bislang geheimen Bundesratspapier. Klartext
aus dem EDA über Staaten von A wie Aserbaidschan bis Z wie Zypern.
Wörtliche Auszüge:
1. Aserbaidschan:
«Der Konflikt mit Armenien um Nagorno Karabach ist trotz
Waffenstillstandsabkommen nicht gelöst. Die Menschenrechtslage in
Aserbaidschan ist schlecht. Aserbaidschan ist ein Schwerpunktland der
schweizerischen Ostzusammenarbeit, und eine Ausfuhr von Waffen wäre nur
schwer mit dem Engagement der Schweiz auf diesem Gebiet vereinbar.»
2. Bulgarien:
«Es bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Export von
Kriegsmaterial nach Bulgarien. Im besonderen Fall des Exports einer
grossen Ladung Pistolen an einen Waffenhändler wurde jedoch die
Genehmigung verweigert, um zu verhindern, dass diese Waffen an
kriminelle Kreise oder in Konfliktregionen gelangen.»
3. VR China:
«Die Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und Taiwan, das
Beijing als eine seiner Provinzen betrachtet, sind weiterhin gespannt.
Diese Spannungen stellen ein grosses Risiko für die regionale Stabilität
dar. Die Menschenrechtslage ist nicht befriedigend.»
4. Ecuador:
«In der Grenzregion zu Kolumbien wird ein reger Schmuggel von
Kleinwaffen betrieben. Diese belasten die ohnehin heikle regionale
Stabilität. Um die schweizerischen Bemühungen bei der Friedensförderung
in Kolumbien nicht zu hintertreiben, werden Waffenexporte in die Region
restriktiv gehandhabt.»
5. Elfenbeinküste:
«Nach einer Meuterei von Teilen des Militärs befindet sich die
Elfenbeinküste im Bürgerkrieg mit regionalem Eskalationspotential.
Grössere Teile des Landes befinden sich nach wie vor unter Kontrolle der
Rebellen.»
6. Eritrea:
«Das Verhältnis Eritreas zu Äthiopien sehr gespannt und instabil. Ein
Export von Kriegsmaterial wäre nur schwer mit der schweizerischen
humanitären Hilfe an Eritrea vereinbar.»
7. Georgien:
«Die schwelenden Konflikte in Abchasien und Südossetien untergraben die
staatliche Autorität Georgiens. Der Konflikt im benachbarten
Tschetschenien bildet einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor für die
regionale Stabilität. Die Menschenrechtslage ist schlecht. Georgien ist
ein Schwerpunktland der schweizerischen Ostzusammenarbeit.»
8. Indien:
«Die wegen der ungelösten Kaschmir-Frage angespannte Situation zwischen
Indien und Pakistan untergräbt weiterhin die regionale Stabilität. Der
Bundesratsbeschluss vom 15.6.98 (siehe 22.1.2), der die schweizerische
Ausfuhrpraxis gegenüber Indien und Pakistan regelt, besteht weiterhin.
Indien ist ein Schwerpunktland der schweizerischen
Entwicklungszusammenarbeit.»
9. Indonesien:
«Die allgemeine Situation ist geprägt durch politische Instabilität und
verschiedene lokale Konflikte (unter anderem in Aceh). Die
Sicherheitskräfte, insbesondere die Armee, sind kaum einer zivilen
Kontrolle unterworfen und wurden wiederholt mit schwerwiegenden
Verletzungen der Menschenrechte in Zusammenhang gebracht.»
10. Iran:
«Trotz zunehmender Öffnung und Liberalisierung werden die Menschenrechte
im Iran nach wie vor systematisch verletzt.»
11. Israel:
«Der Beschluss des Bundesrates zu Kriegsmaterialexporten nach Israel ist
weiterhin gültig. In den besetzten Gebieten kommt es häufig zu schweren
Menschenrechtsverstössen sowie zu Verstössen gegen das humanitäre
Völkerrecht.»
12. Jemen:
«Die innere Situation ist nach wie vor instabil, da Teile des Landes
nicht unter der Kontrolle der Regierung, sondem von diversen
Stammesfürsten stehen. Die Al-Kaida hat gemäss Informationen von
Nachrichtendiensten in Jemen ein Netzwerk aufgebaut, das für mehrere
Anschläge verantwortlich gemacht wird. Die Menschenrechtslage bleibt
unbefriedigend.»
13. Bundesrepublik Jugoslawien:
«Bei der BRJ handelt es sich um ein «Post-Konflikt»-Land, welches sich
noch in einem Transitionsprozess hin zu demokratischen Strukturen
befindet. Die demokratische Kontrolle gewisser staatlicher Institutionen
sowie gewisser Einheiten des Sicherheitsapparats ist vorläufig noch
nicht genügend gewährleistet.»
14. Kolumbien:
«Bei den vorherrschenden kriegerischen Zuständen wird die
Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen immer wieder in Mitleidenschaft
gezogen. Die Menschenrechtssituation ist entsprechend schlecht. Die
Schweiz bemüht sich seit längerem, zwischen den Konfliktparteien zu
vermitteln. Die DEZA ist in Kolumbien durch Programme im Bereich der
Humanitären Hilfe tätig.»
15. Dem. Rep. Kongo:
«Das Land wird von einem Bür- gerkrieg, an dem sich auch Truppen aus
anderen afrikanischen Staaten beteiligen, heimgesucht. Die
Menschenrechtssituation ist entsprechend schlecht.»
16. Madagaskar:
«Madagaskar erlebte nach der Präsidentenwahl eine schwere
innenpolitische Krise, bei der es zu mehreren bewaffneten
Zusammenstössen kam. Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit
unterhält ein Sonderprogramm in Madagaskar.»
17. Marokko:
«Marokko befindet sich weiterhin in einem bewaffneten Konflikt um die
West-Sahara. Trotz Bestrebungen um legislative und institutionelle
Verbesserungen werden die Menschenrechte nach wie vor systematisch
verletzt.»
18. Mexiko:
«Der Konflikt in Chiapas ist noch nicht gelöst. Die
Menschenrechtssituation bleibt unbefriedigend.»
19. Nigeria:
«Auch 2002 ist es in Nigeria zu zahlreichen gewalttätigen Vorfällen
aufgrund ethnischer und religiöser Spannungen gekommen. Die
Menschenrechtssituation ist nicht befriedigend.»
20. Papua-Neuguinea:
«Die Lage in Papua-Neuguinea ist seit den gewalttätigen
Auseinandersetzungen im Sommer 2001 instabil. Die
Menschenrechtssituation ist problematisch.»
21. Sudan:
«Die Lieferung von Kriegsmaterial (von besonderen Ausnahmen bei
Kleinstlieferungen abgesehen) ist mit den schweizerischen Bemühungen um
eine Vermittlung im Konflikt in Südsudan sowie der schweizerischen
Humanitären Hilfe in diesem Land nicht zu vereinbaren.»
22. Südkorea:
«Die Schweiz verfolgt seit 1953 eine aktive Friedenspolitik in Korea.
Die Lieferung von Waffen an eine der beiden Konfliktparteien würde
Zweifel an der Unparteilichkeit der Schweiz und an der Glaubwürdigkeit
ihres Engagements und ihrer Guten Dienste auf der Halbinsel aufkommen
lassen.»
23. Taiwan:
«Die Beziehungen zwischen Kontinentalchina und der Insel Taiwan sind
nach wie vor angespannt. Die Volksrepublik China ist von jeher sehr
empfindlich in bezug auf Waffenlieferungen an Taiwan, zu dem die Schweiz
keine diplomatischen Beziehungen unterhält.»
24. Türkei:
«Aufgrund des Konflikts im mehrheitlich kurdischen Südostanatolien sah
sich die Schweiz seit 1992 dazu veranlasst, auf Kriegsmaterialausfuhren
in die Türkei vollständig zu verzichten. Trotz einer inzwischen
eingetretenen gewissen Beruhigung bleibt die Kurdenproblematik ungelöst.»
25. Ukraine:
«Es handelte sich um den Fall einer Anfrage für einen Waffenhändler. Die
Kontrolle des privaten Waffenhandels in der Ukraine ist vorderhand noch
nicht zufriedenstellend. Der bescheidene Leistungsausweis des Landes im
Menschen-rechtsbereich hat sich kaum verbessert.»
26. Venezuela:
«Die innere Lage in Venezuela hat sich in 2002 destabilisiert. Zudem kam
es in der Vergangenheit wiederholt zu Fällen von Waffenschmuggel nach
Kolumbien. Um die schweizerischen Bemühungen bei der Friedensförderung
in Kolumbien nicht zu hintertreiben, werden Waffenexporte in die Region
restriktiv gehandhabt.»
27. Zypern:
«Es sind Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts im Gang, an
denen die Schweiz massgeblich beteiligt ist. Durch
Kriegsmateriallieferungen könnte die schweizerische Vermittlerrolle
geschädigt werden.»
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