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Nach dem frühen Tod ihres Schweizer Ehegatten Carl Schlumpf, übernahm
Jeanne Schlumpf die alleinige Erziehung ihrer beiden Söhne Hans und
Fritz, über die sie zeitlebens einen grossen Einfluss ausübte. Die
Erziehung geschah ganz nach einem seltsamen Weltbild in der Tradition
der Mülhauser «Société Industrielle», einer
protestantisch-calvinistischen Lebensauffassung: «Wer reich ist, ist
gottbegnadet, wer arm ist, ist selber schuld...». Ein überlebensgrosses
Porträt der strickenden Mutter, eingerahmt von Engeln und den beiden
Spielzeug-Tretautos der Söhne, bildet einen merkwürdigen «Altar» am
Eingang der der Mutter gewidmeten Sammlung. Foto: J.-P. Lienhard, Basel
© 2003
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Fast zwei Jahre dauerte die illegale Besetzung der privaten
Automobilsammlung der Gebrüder Schlumpf durch die entlassenen Arbeiter.
Der finanzielle Zusammenbruch der ausgebeuteten Schlumpf'schen Fabriken
machte eine Rettung der Arbeitsplätze in der damaligen Krisenregion
Elsass illusorisch. Mit der Besetzung der Autosammlung «als Pfand für
verlorene Arbeitsplätze» setzten die Arbeiter durch, dass sie nicht ein
«zweites Mal bestohlen» wurden, indem die Sammlung zur Deckung der
Konkursschulden auseinandergerissen und einzeln ins Ausland verkauft
wurde. Die Sammlung wurde schliesslich als öffentlich-rechtliche
Gesellschaft als «Musée National de l'Automobile» dem Publikum
zugänglich gemacht. Während der illegalen Besetzung durch die ehemalige
Arbeiterschaft hat ihr Betriebsrat aus dem «Musée Schlumpf» ein «Musée
des Travailleurs» gemacht. Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2003 |
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«Lockartikel» der elsässischen Tageszeitung
«Journal l'Alsace» vom 13.2.1977
Dieser Artikel aus der elsässischen Tageszeitung Journal l'Alsace vom
13.2.1977 kündigte eine Sensation und einen Skandal an. Aber in
Wirklichkeit war er ein «Lockartikel», um den angeblich «unbekannten»
Fotografen zum Verkauf seiner Bilder an diese Zeitung zu bewegen.
Aufgrund des «schweizerischen Akzentes» war der Reporter schnell
identifiziert - schliesslich blieb nicht verborgen, dass ich während den
zwei Jahren zuvor stets an der «Schlumpf-Affäre» recherchierte und
Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um zu den exklusiven Bildern zu
kommen. Doch war ich der Konkurrenz «Les Dernières Nouvelles d'Alsace»
in Strassburg verpflichtet, wodurch ich mir bis heute die Chefredaktion
des «Journal l'Alsace» zum Feind gemacht habe. Das Resultat war, dass
diese Redaktion später ein Büchlein über die «Schlumpf-Affäre» herausgab
und mit keinem Wort meine Rolle bei der Publikation der ersten Bilder
aus der Sammlung erwähnte. Zumindes gilt dies journalistisch als
unkorrekt; ich würde sogar sagen: manipulativ!
PDF-Dokument Inconnu |
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Nach meinen heimlich im Innern der Privatsammlung Schlumpf aufgenommenen
Fotos, traten Mitglieder des Betriebsrates der entlassenen
Arbeiterschaft an mich heran, mit dem Begehren, ihnen einen Zugang zum
streng bewachten Museum zu verraten - was ich denn auch tat. Doch die
Arbeiter wählten schliesslich einen anderen, direkten, gefahrloseren Weg
- während ich damals übers Dach durch einen Lüftungskanal einstieg. Nach
meiner erfolgreichen Fotosession im Innern der Privatsammlung posierte
ich stolz hinter dem Museum. Was reichlich naiv war, denn die Polizei
suchte bereits den vermeintlichen «Einbrecher»... Foto: J.-P. Lienhard &
Co., 2003 © |
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Zeitungsausschnitt aus der Schweizer
Tageszeitung «Die Tat» vom 1.4.1977.
Nachdem ich die Informationen der ehemaligen Schlumpf-Arbeiter als
wahrheitsgemäss bestätigt sah, habe ich mich stets direkt auf die
Arbeiter berufen und ihre Anliegen - im Gegensatz zu den der lokalen
Politik verpflichteten elsässischen Tageszeitungen - ausführlich
beschrieben. Die Basler und die eidgenössische Regierung haben sehr früh
aufgrund meiner Artikel die Flucht der Gebrüder Schlumpf vor der
französischen Justiz streng verurteilt. Weil die Gebrüder jedoch die
schweizerische Staatsbürgerschaft besassen, konnten sie nicht nach
Frankreich ausgeliefert werden. Aus politischen Rankünen wurde in
Frankreich jedoch darauf verzichtet, die Schweizer Behörden zur nach
Schweizer Recht möglichen Aburteilung in der Schweiz zu veranlassen.
PDF Die Tat 1.4.1977 |
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Das Bild zeigt den Stammsitz des Schlumpf'schen Textilimperiums, die
Kammgarnspinnerei Malmerspach S.A. in Malmerspach. Erkennbar ist die
riesige Sheddach-Landschaft, worunter in früheren Zeiten bis zu 2000
Arbeiter ihr Einkommen fanden. Im Hintergrund die mit drei Kamin
bestückte Heizzentrale der Fabrik. Unter der nach dem 2. Weltkrieg auf
Französisch angebrachte Beschriftung «Filature de Laine Peignée de
Malmerspach S.A.» haben die Arbeiter Parolen gegen die Entlassung
gemalt. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1977. Foto J.-P. Lienhard,
Basel © 2003 |
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Die Arbeitersiedlung «Cité Hartmann» in Malmerspach ist nach einem der
Firmengründer der Kammgarnspinnerei Malmerspach benannt worden. Zur Zeit
der Stillegung der Schlumpf'schen Betriebe besassen die winzigen
Wohnungen nicht einmal den mindesten hygienischen Komfort (Plumpsklo
ausserhalb der Wohnung, kein Bad), geschweige denn eine Kanalisation.
Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2003 |
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Um auf das Fabrikgelände gelangen zu können, mussten Besucher und
Arbeiter eine Brücke über die Thur passieren, wo bei der Stillegung die
Arbeiter Protesttücher mit dem Slogan: «Keine Arbeit - aber ein Museum»
aufhingen. Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2003 |
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Nach dem Bankrott der Gebrüder Schlumpf lud die Arbeiterschaft von
Malmerspach zu einem «Tag der offenen Tür» auf das Fabrikgelände. Die
Anteilnahme der gesamten Talschaft, ja grosse Teile der Bevölkerung von
Cernay bis Mulhouse, war so überwältigend, dass der Verkehr im
St-Amarintal zeitweise fast vollständig zusammenbrach. Einer der
Höhepunkt an den verschiedenen Solidaritätsdarbietungen von spontan
agierenden Gruppen und Vereinen war auch meine Fotoausstellung über die
Vorgeschichte der «Affäre Schlumpf» - zu einer Zeit, da ich allerdings
die Aufnahmen aus dem Inneren der Schlumpf'schen Sammlung noch nicht
gemacht hatte. Foto J.-P. Lienhard & Co., Basel © 2003 |
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Zwar haben mich die Arbeiter nach meinem «alpinistischen Weg» über die
Dächer der Schlumpf'schen Privatsammlung in Mulhouse ausgefragt, doch
schliesslich nahmen sie für die Besetzung des Museums einen direkteren
Weg: Sie drangen mit einem kleinen Stosstrupp von der Hinterseite der
Gebäude ein, indem sie einen Sicherheitszaun zersägten und den gerade
diensthabenden Wächter durch ihre Überzahl gewaltlos ausser Gefecht
setzten. Hier auf diesem Bild ist ein Arbeiter (im Vordergrund) damit
beschäftigt, die Alarmanlage zu blockieren. Rechts ist der Wachmann (im
karierten Mantel) zu sehen, dessen verdatterter Blick ihm noch nicht aus
dem Gesicht gewichen ist. Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2003 |
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Dies ist das rührendste Bild, das ich in der ganzen Zeit der
«Schlumpf-Affäre» geschossen habe. Nach der kleinen Vorhut, die das
Museum von innen öffnen konnte, wurde die Frühschicht von Malmerspach
und Gluck & Cie, Mulhouse, zur Besetzung der Sammlung «umgeleitet».
Dadurch hätten auch grössere Polizeikräfte keine Chance gehabt, die
Leute aus der Sammlung zu vertreiben. Die Frühschichten bestanden fast
nur aus Frauen, die es kaum fassen konnten, was sie hier sahen: Während
sie ihren blauen Brief bereits in der Tasche hatten, standen in der
privaten Sammlung ihrer Patrons Millionenwerte herum, die den Arbeitern
buchstäblich gestohlen wurden. Der Einmarsch der Arbeiterinnen glich
einer Prozession: Schweigend, traurig und überwältigt. Foto J.-P.
Lienhard, Basel © 2003 |
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Justitia mit verbundenen Augen ist das Sujet auf dem Siegel, den der
Pfändungsbeamte auf die fast 500 Autos der Privatsammlung Schlumpf
klebte, nachdem die Arbeiter durch die Besetzung kistenweise Dokumente
an die Staatsanwaltschaft übergeben hatten: Der Betrug war aufgeflogen
und durch die Sammelsucht der Betrüger selbst für Papier und Dokumente
gar spielend beweisbar geworden... Foto.-P. Lienhard, Basel © 2003 |
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«Sie haben unsere Arbeitsplätze gemeuchelt», steht französisch auf dem
Plakat vor dem besetzten Eingang zur Schlumpf'schen Privatsammlung, die
in einer von den Gebrüdern Schlumpf aufgekauften ehemaligen Textilfabrik
in Mulhouse untergebracht ist. Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2003 |
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