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Artikel vom: 27. August 1990


Box ad Kpitulation Hüningen

Das Bild


Kapitulation


Abzug der Besiegten: Erzherzog Johann begrüsst ritterlich den unterlegenen Kommandanten Barbanègre. Doch das Bild ist eine patriotische Phantasie: So hat sich der Abzug der Besatzung nicht abgespielt. Die Festungsbauten waren nie derart monumental. Das Original, von dem Abertausende von Heliographie-Kopien hergestellt wurden, hängt im Pariser Senat.



jpl. Das Gemälde von Edouard Détaille zum «Auszug der Garnison von Hüningen» nimmt es mit wesentlichen Details nicht unbedingt genau. Das nicht ganz 60 Jahre nach dem Tod des letzten Hüninger Kommandanten, Joséph Barbanègre, entstandene Schlachtenbild trug wesentlich zu einer nach seriöser Geschichtslektüre schon in seiner Zeit ohnehin unglaubwürdigen Heroisierung bei. Wohl war Barbanègre der letzte Befehlshaber, aber sicher nicht der heldenhafteste. Immerhin wird in Hüningen der Mann, dem die Ehre des «Heldentum» am ehesten zugesprochen werden dürfte, General Charles Abatucchi, mit einem Obelisken-Denkmal auf dem ehemaligen Waffenplatz gewürdigt.

Augenfällig auf dem Gemälde ist die übertriebene Grösse der Festungsbauten sowie das Tor mit der von Détaille erfundenen Zugbrücke. Zur Ehrenrettung des Schlachtenmalers ist allerdings zu sagen, dass das Gemälde 1892, also rund 67 Jahre nach der Schleifung entstand, der Künstler somit keine Vorlage hatte, weil die Festung ja nicht mehr existierte. Zählt man die stiefelbewehrten Beine der Soldaten, kommt man auf mehr Beinpaare als Soldaten. Mit grosser Wahrscheinlichkeit haben sich Verlierer und Sieger bei der Kapitulation die Hand gedrückt, denn der siegreiche Erzherzog Johann war bekannt für seine faire Einstellung zu unterlegenen Gegnern. Ob das allerdings in diesem dramatischen Umfeld, wie vom Künstler dargestellt wird, geschehen war, ist auch wieder zweifelhaft…


Détaille


Jean-Baptiste-Édouard Détaille,
geb. 5. Oktober 1848, gest. 23 December 1912,
Fotografiert von Ferdinand Mulnier


Dass das Bild emotionale patriotische Gefühle auslöste und insbesondere im Elsass in mehrtausendfacher Auflage verbreitet worden war, hat mit dem Deutsch-französischen Krieg von 1870 zu tun, als Deutschland das erste Mal Frankreich das Elsass stahl.

Nach dem Wiener Kongress von 1815, der das Elsass als Frankreich zugehörig bestätigte, fand in der ehemals eidgenössisch zugewandten lutherisch-hugenottischen Stadt Mülhausen eine friedliche, aber um so «explosivere Revolution» statt: Der Aufbruch Mülhausens zum «Manchester des Festlandes», zur Textilmetropole Frankreichs.

In atemraubender Geschwindigkeit wurden nach den Revolutionskriegen von der aufsteigenden hugenottischen Bürgerschaft technische Erfindungen gemacht und technische Erfindungen genutzt, alles, was der textilen Branche nützlich war: Der mechanische Falzzigel (zum Bau der Fabriken), die erste internationale Eisenbahnlinie Strassburg-Basel (zum Transport), der Eisenbahnbau (Geburtsstätte auch des TGVs), Maschinenbau, und graphische Betriebe (zur Herstellung von Etiketten und Katalogen). So wurde auch die Heliographie in Mülhausen erfunden, eine Schwarzweiss-Technik, die bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts auch in der Schweiz für die Herstellung von Grossauflagen angewendet wurde und hochwertige Drucke ermöglichte.

Wut und Trauer über die deutsche Besetzung des Elsass standen Edouard Détaille Gevatter bei seinem bildlichen Heldenepos von der Kapitulation Hüningens und gewann sofort eine derart breite emotionale Beachtung unter Franzosen und Elsässern, dass vom farbigen Original in Öl mithilfe der Mülhauser Heliographie Abertausende von Abzügen hergestellt wurden. Es gab keine elsässische Wohnung, wo nicht dieser Druck Détaille‘scher Patriotik an die Wand genagelt wurde und treu bis manchmal weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus auch hängen blieb…


Studieren Sie die Details von Détailles Bild in selbstgewählten Vergröserungsschritten. Klicken Sie ins erscheinende Bild, um es zu vergrössern: Mehr…


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