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Zolli-Apéro

Ein neuer Bulle bei den Okapis

Elefanten, so klein wie Katzen

Von giftigen Gurken, wandelnden Schirmen und gestreiften Bullen

Von Jürg-Peter Lienhard

BASEL.- Wussten Sie, dass 75 Prozent der Tiere im Basler Zolli im Vivarium leben? Und dass es der absolute Renner bei den Kindern ist? Aber auch Erwachsene freuen sich an der unglaublichen Farbenpracht in den Aquarien und schätzen das Vivarium als idealen Erlebnisort bei Regen und in der kalten Jahreszeit. Drei seltsame Neuigkeiten, die je 60 Dollar kosteten, erwarten jetzt die Besucher, wie am Zolli-Apéro vom 15. Oktober 2003 zu erfahren war.

Elefanten
Ob Sie es glauben oder nicht: Hier sehen Sie Verwandte des Elefanten. Mutter Klippschliefer mit ihren zwei soeben geworfenen Kindern warten auf Besucher im Etoscha-Haus des Zollis. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003


Eine der drei Neuigkeiten sieht aus - wie soll ich es anständig sagen? - wie ein Hundskaigeli: braun, dick und etwas gekrümmt. Die beiden anderen sind bunt, aber von unglaublich vornehmer, ja fast aristokratischer Färbung: blau, mit gelben Streifen und rotem Rücken. Es sind sogenannte Seegurken, die erst kürzlich im Vivarium des Zolli Einzug gehalten haben. Zu je 60 Dollar das Stück, wie Kurator Roman Jermann der staunenden Presseschar erklärte - ein Preis, der viel für ein Aquarium-Tier sei.

Lassen wir zu diesen interessanten Meeresbewohnern den Fachmann selbst zu Worte kommen: «Seegurken zeigen extreme Besonderheiten. Sie fressen entweder Plankton (mit bäumchenartig verzweigten Kopftentakeln: Bunte Seegurke, Pseudocolochirus violaceus) oder weiches Bodensubstrat. Die Atmung erfolgt durch den After in Wasserlungen (Aufpumpen des Körpers).

Zur Verteidigung können sie Cuvier'sche Schläuche durch die Afteröffnung ausstossen (extrem klebrig, leicht giftig und schmecken schlecht). Reicht das Ausstossen der Cuvier'schen Schläuche nicht, um den Angreifer zu stoppen, können sie nach und nach (fast) alle Eingeweide als Ablenkungsfutter ausstossen. Diese regenerieren meist sehr schnell wieder.

Alternativtext für Bild...   Vornehme, aristokratische Farbenpracht bei den
Seeguken - blau und gold wie bei einer Montgolfière…
Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003t


Seegurken sind als Angehörige des Stammes der Stachelhäuter mit den Seesternen und Seeigeln weitläufig verwandt und sind getrennt geschlechtlich. Im Gegensatz zu Seesternen und Seeigeln besitzen sie nur eine Geschlechtsöffnung (statt fünf!) und ihr Körper ist nicht in einer starren Kalkschale eingeschlossen sondern nur von einer ledrigen Haut umhüllt. Darin finden sich feine Kalkplättchen und -nadeln, die von Art zu Art unterschiedlich gestaltet sind (Artbestimmung). Meistens erkennt man fünf Reihen von Saugfüsschen (Ambulacralsystem), mit denen Seegurken sich fortbewegen, festhalten oder eingraben.»

Weichkoralle

Seegurken wohnen im Vivarium-Aquarium in Gemeinschaft mit Weichkorallen, wie in ihrer Heimat im Indopazifik. Unten links am unteren Fensterrand noch knapp sichtbar: Eine Seegkurke mit dem Mund nach oben, und auf der Oberseite ist sie knallrot. Foto: J.-P. Lienhard,
Basel © 2003



Nachzutragen ist, dass Seegurken im Südpazifik vorkommen. Sie eigenen sich in der Regel nicht zum essen, werden aber trotzdem gefischt. Einerseits durch Schleppnetze, die alles mitnehmen, was auf dem Meeresgrund kreucht, und andererseits verwenden japanische Fischer die Seegurken zum Fischen. Nicht als Köder, sondern die getrockneten, giftigen Häute der Seegurken werden als Narkotikum beim Fischen ins Wasser geworfen. In ihrer Umgebung gehen dann die essbaren Fische «groggy», und die Fischer können die betäubten Fische auf der Wasseroberfläche gewissermassen «ernten».

Traurig von Jermann zu hören war, dass auch die Seegurken zu den gefährdeten Tierarten gehören. Sogar rund um die Galapagos, wo Seegurken auch ein Zuhause haben, ist das Meer ziemlich überfischt.

Im Zolli sind Seegurken als Aquarium-Putzer beliebt und unterstützen den Aquarium-Wärter sehr effizient als «lebendige Staubsauger»: Mit ihren zu Reihen angebrachten Tausendfüssen kriechen sie der Glasscheibe oder dem Aquarium-Boden entlang und helfen so, das Wasser, Boden und Scheibe sauber zu halten.

Junge

Erst vor wenigen Tagen geboren: Mini-Elefantenjungen im Etoscha-Haus. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003



Eine weitere Station des Zolli-Apéros war das Etoscha-Haus, wo Gerry Guldenschuh nicht nur Neuigkeiten, sondern höchst Merkwürdiges zeigen konnte. Zunächst ausser Programm konnte er die erst kürzlich erfolgte Geburt von zwei jungen Klippschliefern vermelden, und weil dies sogenannte Nestflüchter sind, waren die Jungen auch bereits munter am Herumtollen. Die Klippschliefer sehen sehr putzig aus, mit braunem Fell und sind nicht grösser als eine Katze.

Und jetzt lese und staune man: Die eher an kleine Biber (aber ohne Schwanz) mahnenden Wollknäuel sind ganz enge Verwandte der um einige Etagen grösseren Elefanten!. Diese Klein-Ilpe (Ilp = Altbaseldeutsch für Elefant) haben, wenn man nur schnell guckt, Klauen - aber in Wirklichkeit sind diese, wie bei den Elefantenfüssen, zu nichts nutze. Die Klippschliefer gehen nämlich auf den Handballen - wie die Elefanten, und von den Klauen sind nur noch die Zehennägel übrig.

Auch ihr Mundwerkzeug ist «elefantös», wenngleich auch in «Miniausführung»: Die vorderen Schneidezähne haben sich beim Elefanten zu Stosszähnen entwickelt. Nur der Rüssel ist bei den Klippschliefern nicht so geraten, wie man es sich bei einem anständigen Elefanten gewöhnt ist: Die Nase ist zwar länglich zugespitzt, sieht aber ganz «normal» aus. Am besten gehen Sie selbst mal ins Etoscha-Haus und lesen sie dort mehr über die Minielefanten und freuen sich an den putzigen Jungen.

Hörnchen


So heiss ist es im Etoscha-Haus nicht, wie dort, wo die Borstenhörnchen herkommen. Darum sieht man selten, wie sie ihren Schwanz zum Sonneschirm aufspannen - aber die nächste Hitzeperiode kommt bestimmt! Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003



Zweck des Besuchs im Etoscha-Haus am Zolli-Apéro vom 15. Oktober 2003 war eine Einladung bei der Borstenhörnchen-Familie. Auch diese sind ganz putzige, muntere Kerlchen und leben in Wohngemeinschaft mit den Mini-Elefanten in einem grossen Terrarium-Gehege. Und auch da war von Gerry Guldenschuh viel Hochinteressantes, Staunenswertes zu hören: Die Borstenhörnchen-Kolonie ist eine reine Weiberwirtschaft: Ein Weibchen, meist die Mutter der übrigen erwachsenen Weibchen, dominiert eine Gruppe von mehreren Müttern mit ihren Jungen.

Die Borstenhörnchen sehen aus wie grössere, aber farblich eher graue Eichhörnchen. Sie verhalten sich auch so: Wenn sie ein Nüsslein ergattert haben, setzen sie sich auf die Hinterbeine und führen es mit den Vorderfüssen zum Knabbermund. Der Schwanz ist nur scheinbar buschig; in Wirklichkeit ist er flach und hat eine höchst sinnvolle Funktion:

Weil die Borstenhörnchen tagaktiv sind und in sehr schattenarmen, extrem heissen Halbwüsten im südlichen Afrika leben, ist ihr Schwanz so etwas wie ein «Taschen-Sonnenschirm»: Um Überhitzung zu vermeiden, halten sie ihren abgeflachten, dichten Schwanz wie einen Sonnenschirm über ihren Körper. Dabei drehen sie das Hinterteil gegen die Sonne, damit ein möglichst langer Schattenwurf das grelle Licht vor der Nase bricht, so dass sie die Samen, Knollen und Wurzeln besser erkennen können. Klug, nichtwahr?


Siedelweber


Das ist nicht etwa ein unordentlich versorgter Misthaufen im Etoscha-Haus, sondern der gewaltige Nestbau der Siedelweber. Diese spatzengrossen Vögel fliegen frei im Etoscha-Haus herum - allerdings nur im hellen Bereich, und weil sie dunkle Bereiche meiden, können sie eben frei fliegen gelassen werden. Das Riesennest haben sie selber, ohne Hilfe des Zollis gebaut, und wohnen tun sie unter dem Dach - zum Schutz gegen eierfressende Schlangen. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003


Die Hörnchen leben ortstreu im weitverzweigten Höhlensystem des Etoscha-Geheges in Kolonien. Die männlichen Tiere müssen die Kolonie verlassen, sobald sie geschlechtsreif werden. Sie wandern dann von Kolonie zu Kolonie, auf der Suche nach amourösen Abenteuern. Wird ein Weibchen brünstig, so paart sie sich mit allen gerade verfügbaren Männchen. Die borstigen Hörnchen-Frauen sind jedoch - je nach Betrachtungsweise - sehr grausam oder sehr klug: Nach verrichteter Arbeit werden die Männer wieder vertrieben.…

Das Weibchen bringt nach einer Tragzeit von rund 7 Wochen eins bis drei, selten bis sechs nackte, blinde Nesthockerjunge zur Welt. Erst nach 35 Tagen öffnen sie die Augen und kommen mit 6 Wochen an die Oberfläche. Dazu Gerry Guldenschuh: «Im Zolli umfasst unsere Basisgruppe allerdings nur zwei erwachsene Männchen und die Chefin. Wir hatten im Frühjahr zwei und im Sommer nochmals ein junges, alle drei Männchen, und die Chefin scheint schon wieder trächtig zu sein, zumindest vertreibt sie alle 5 Männer aus ihrer Umgebung. Wir hoffen natürlich, dass diesmal endlich auch Töchter das Licht der Welt erblicken werden.»

Lang

Der Jubilar Ernst Lang freut sich über das Geschenk vom jetzigen Zollidirektor Oliver Pagan, das er im Okapi-Haus (links hinten der am 3. Juni 2003 geborene Ahadi) erhalten hat. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2003




Zum Schluss dieses Zolli-Apéros lud Direktor Oliver Pagan die Medienschar ins Okapi-Haus, wo er zunächst dem früheren Zollidirektor, Prof. Ernst Lang, zu seinem bevorstehenden 90. Geburtstag gratulierte und ihm eine bebilderte Geschichte aus den Archiven des Zollis überreichte. Lang hatte mit der Okapi-Zucht aufsehenerregende Erfolge erzielt, wovon die ganze Weltpresse Notiz nahm. Pagan konnte aber im Okapi-Haus ganz frische Neuigkeiten präsentieren, die ich hier - der Genauigkeit wegen - aus den Presse-Unterlagen zitiere:

«Okapis kommen nur in der Demokratischen Republik Kongo vor. Da sie extrem scheu sind und in dichtem Regenwald leben, kennt niemand ihre genaue Zahl, doch lassen Jahrzehnte des Bürgerkrieges nichts Gutes ahnen.

Schon Ende der vierziger Jahre wurden Okapis nach Europa gebracht, zuerst noch mit dem Schiff, später viel erfolgreicher mit dem Flugzeug. Viele Tiere starben damals an Infektionen mit Darmparasiten. Heute hat man dieses Problem dank wirkungsvoller Medikamente weitgehend im Griff, aber dennoch gelten Okapis als extrem schwierig zu züchtende Huftiere. Der Weltzoobestand beträgt nur rund 150 Tiere.

Der Zolli ist weltweit einer der erfolgreichsten Halter. Im Frühjahr haben wir, auf Empfehlung des Erhaltungszuchtprogramms, unseren Bullen Ndura nach Bristol abgegeben, weil Xina seine Tochter und Onja genetisch keine optimale Verbindung war. Vor drei Wochen ist nun unser neuer Bulle Zidan aus Antwerpen (geboren am 16. November 1998) zu uns gekommen und nach Ablauf der Quarantäne darf er jetzt auch die Aussenanlage benutzen und direkten Kontakt zu seinen zukünftigen Partnerinnen aufnehmen.»

Na, wenn das kein Grund zu einem neuerlichen Besuch in «unserem» Zolli ist? In diesem Sinne: Viel Vergnügen beim Entdecken des oben Beschriebenen!

Jürg-Peter Lienhard

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