Kommentar
Zum Communiqué der Staatsanwaltschaft
Basel:
Teurer «grober Unfug»
Sechs Theaterleute wegen «inszenierter
Entführung» zum Abschied des Schauspieldirektors Stefan Bachmann
angeklagt
Von Jürg-Peter Lienhard
Au weia, das tut weh - bei diesen bescheidenen Schauspielerlöhnen:
6‘300 Franken will die Polizei von den sechs Theaterleuten, die am 29. Mai
2003 zum Abschied des Basler Schauspieldirektors Stefan Bachmann eine Entführung
«inszenierten». Jetzt werden sie deswegen noch «wegen grobem
Unfug» angeklagt, wie die Staatsanwaltschaft Basel in Ihrem Communiqué
vom Mittwoch, 1. Oktober 2003 mitteilt.
«Humor ist, wenn man trotzdem nicht lacht», sagte sich die Polizei
und die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zur fingierten «Abschieds-Entführung»:
Jetzt reklamieren die beiden Behörden, dass die Unkosten, welche der
Polizei beim «Lösen» des «Entführungsfalles»
entstanden sind, noch nicht bezahlt sind. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb
die Kantonspolizei die Beteiligten «wegen groben Unfugs gemäss
Übertretungsstrafgesetz an das Strafgericht (Strafbefehlsrichter)»
verzeigt hat?
Auf jeden Fall sind mehr als 1‘000 Franken, die auf jeden Einzelnen der
Beteiligten fallen, sehr viel Geld, arbeiten doch junge Schauspieler quasi
«um Gottes Lohn» und ernähren sich - falls es gibt - vom
Applaus des Publikums: Das Theater wirft Geld mit vollen Händen zum
Fenster hinaus, wenn es beispielsweise gilt, geschmacklos «gestyltes»
Briefpapier für die Verwaltung zu ordern - aber Statisten oder junge
Schauspieler, die nach einem Engagement lechzen, zu beinahe Sklavenhalter-Löhnen
zu entschädigen…
Ich frage mich, ob die Behörden dem FCB auch Rechnung stellen, wenn
grölende Horden auf dem Barfüsserplatz einen «Teppich»
an Bierflaschenscherben und MacDonald-Verpackungen streuen? Warum markiert
die Polizei derart ernsthaft ein «Staatsverbrechen»? Die Vermutung
liegt nahe, dass sie in dasselbe Sprachrohr schreit, wie gewisse hochempörte
SVPler. Dabei hätte es auch Regierungsrat Schild in der Hand gehabt,
die Unfugveranstalter anders kräftig ins Gebet zu nehmen, ihnen gewissermassen
die Ohren lang zu ziehen - aber sicher nicht, durch eine Anzeige zu kriminalisieren!
Jetzt ists zu spät: Jetzt ist der «Apparat» in Gang gesetzt;
er mahlt gewiss langsam, aber unerbittlich!
Mir geht es nicht um die Verharmlosung eines unreflektierten Unfugs, sondern
darum, dass die Theaterleute aus dem Schussfeld einer verlogenen Empörung
von Spiessern genommen werden: Ihnen wurde keine Gelegenheit gegeben, sich
für den «blöden Seich» zu entschuldigen, zumal sie ja
nicht wissen konnten, welche Konsequenzen ihr Spiel haben würde. Aber
im Vorfeld der Wahlen ist für gewisse Sprachrohrführer ein solcher
«Fall» eine willkommene Gelegenheit, dem stets als «kleinbürgerkritisch»
beargwöhnten Theater eins auszuwischen.
Das Theater selbst beeilte sich am 1. Oktober 2003 mit einem eiligst nachgeschobenen
Communiqué, sich von seinen Leuten zu «distanzieren», statt
die Frage zu stellen, ob da mit der Kostenfolge und der Anzeige nicht wirklich
mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird: «Das Theater Basel hält
deshalb fest, dass nicht das Theater die in der Medien-Information (Anm.:
der Staatsanwaltschaft) vom 1. Oktober 2003 beschriebene Aktion inszeniert
hat, sondern dass die Aktion von einzelnen Mitarbeitern des Theaters inszeniert
wurde, ohne dass das Theater Basel im Vorfeld davon Kenntnis hatte.»
Vielleicht hilft dem Theater, wenn es meinen Kommentar als der Kommentar
eines «unabhängigen» Journalisten seinen opportunistischen
Communiqués voranstellt? Dann nur zu!
Dies meint: Jürg-Peter Lienhard, Journalist BR
|